Ihr Garten

in unseren Händen

"Zierschotterplage"

Die Zierschotterplage

20.06.2014, von Ursula Scheer 

Mein schöner Vorgarten

Eine neue Plage wütet in Gärten und Grünanlagen. Warum sehen sie heute wie Abraumhalden aus? Von Gartenzwergbataillonen, Buddha-Statuen und deutscher Vorgartenhistorie. 

Eine neue Plage wütet in der deutschen Provinz und macht nieder, was immer da wächst und gedeiht, ganze Straßenzüge verwandelt sie in vegetative Todeszonen, schon melden Friedhöfe und Grünanlagen Befall, und schuld an all dem ist nicht ein gefräßiges Insekt, sondern: der Zierschotter.

Zierschotter ist das, was normalerweise im Gleisbett liegt und dafür sorgt, dass die Schienen nicht zuwuchern. Inzwischen liegt es überall in Vorgärten, weil Baumärkte das Zeug als Rettung für den Kleingärtner verkaufen. Der aber – das zeigt ein kurzer Blick in die Vorgartenhistorie der Republik – wird von nichts so getrieben wie einer tief eingewurzelten Germanangst vor dem unkontrollierten Wachstum.

Mag der Wald der Sehnsuchtsort der Deutschen sein, Laub ist ihr Horror, ein falsch vom Wind verwehtes Blatt, schon bricht der Krieg vom Lattenzaun. Da gilt es sich zu wehren. Früher hat das der Einfamilienhausbesitzer mit Waschbetonplatten und Gartenzwergbataillonen getan, die eine mittig aufgestellte Pflanzschale mit Geranien bewachten, dann brach die hohe Zeit der Pflanzsteinfestungen an. Mit Formsteinen aus Beton, in denen– so die Idee – Pflanzen wachsen konnten, wurden Anlagen an Grundstücksgrenzen und rund um Terrassen hochgezogen, wahlweise in Terracottarot oder Steingrau, die dem Westwall alle Ehre gemacht hätten. Gekrönt von vorimprägnierten Zaunelemente aus dem Gartencenter. My home is my castle, my garden is a Panzersperre. Gewachsen ist in diesen Kübelsteinen übrigens nie etwas, genau sowenig wie in Rasengittersteinen.

Weil Pflanzsteine langsam out sind, halten neue Techniken aus dem Armeebau Einzug: in Boxen aus Stahlgitter gekippte Bruchsteine. So lässt sich schnell und billig eine stabile Mauer aufrichten, ohne zu mauern. Das klappt bei Stellungen im Irak ebenso gut wie in Neubaugebieten der Vordereifel, und da stehen sie nun, die Schutzwälle, und umhegen Schotterbeete. Kies hätte es ja auch getan, aber der wird grün und ist wohl zu feudalkonnotiert, dabei würde er viel besser zu den Buddhastatuen und asiatisch geschnittenen, immergrünen Bäumen in den Ensembles passen. Das Ganze ist so sehr Zen-Garten wie die Vorstellung, Buddhismus bedeute, unter einem Baum zu hocken und aufs Nichts zu warten, bis man richtig dick ist.

Was soll das Ganze also? Es tut weltläufig und ist einfach nur bequem. Und irgendwie spiegelt es wohl die Furcht, alles könnte einem über den Kopf wachsen. Es gibt Zierschotter sogar frei Haus. Ein Anbieter fabuliert auf seiner Website: „Ein Garten mit Schotter verbreitet mediterranes Ambiente.“ Dabei könnte man sich an der furchtlosen Vorgartengestaltung in Südeuropa ein Beispiel nehmen: eine Ladung Beton, und gut ist’s.

Ursula Scheer

Autor: Ursula Scheer,Freie Autorin im Feuilleton. 

Quelle: F.A.Z.